Sorgerecht
Alleinige elterliche Sorge
Wenn die Mutter nicht mit dem Vater des Kindes verheiratet ist und auch vor der Geburt des Kindes keine übereinstimmende Sorgeerklärung abgegeben wurde, ist sie mit der Geburt des Kindes allein sorgeberechtigt.
Das bedeutet, dass sie allein den Vornamen und Nachnamen des Kindes bestimmt und alle Entscheidungen von erheblicher Bedeutung alleine treffen kann, zum Beispiel wo das Kind seinen Hauptwohnsitz hat, ob sie ein Sparbuch für ihr Kind anlegt, einen Pass beantragt oder ihr Kind in einer Kita anmeldet.
Das alleinige Sorgerecht wird nicht durch eine eventuelle Beistandschaft beim Jugendamt (zur Feststellung der Vaterschaft oder zur Klärung der Unterhaltsansprüche) eingeschränkt.
Bei Bedarf stellt das zuständige Jugendamt eine Bescheinigung darüber aus, dass die Mutter das alleinige Sorgerecht hat.
Gemeinsame elterliche Sorge
In einem Scheidungsverfahren wird nicht zwingend über die elterliche Sorge entschieden, sondern es bleibt in der Regel bei der gemeinsamen elterlichen Sorge. Nur wenn ein Elternteil einen Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge stellt, entscheidet das Familiengericht.
Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind, können durch eine übereinstimmende Sorgeerklärung die gemeinsame elterliche Sorge ausüben. Die Sorgeerklärung muss öffentlich beurkundet werden, beim zuständigen Jugendamt (kostenfrei) oder bei einem Notar.
Diese Sorgeerklärung kann nicht zurückgenommen werden, sondern der Elternteil, der die gemeinsame elterliche Sorge beenden will, muss beim Familiengericht einen Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge stellen.
Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge durch das Familiengericht
Mit dem am 13. Mai 2013 in Kraft getretenen „Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern“ soll ein neues gesellschaftliches Leitbild etabliert werden: Möglichst alle Kinder sollen unter der gemeinsamen elterlichen Sorge beider Eltern aufwachsen.
Väter nichtehelicher Kinder können auf Antrag vom Familiengericht die gemeinsame elterliche Sorge gegen den Willen der Mütter übertragen bekommen.
Nach Eingang des Antrags beim Familiengericht erhält die Mutter eine Frist zur Stellungnahme. Versäumt die Mutter die Frist zur Stellungnahme oder sind für das Familiengericht aus dieser Stellungnahme keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht, kann und soll das Familiengericht im vereinfachten Verfahren entscheiden.
Damit kann dem Vater ohne Anhörung der Mutter / der Eltern und ohne Einbeziehung des Jugendamtes auch gegen den Willen der Mutter die gemeinsame elterliche Sorge übertragen werden.
Nur wenn dem Familiengericht durch die Stellungnahme der Mutter Anhaltspunkte bekannt werden, die es für eine Kindeswohlprüfung für relevant hält, muss ein reguläres Sorgerechtsverfahren durchgeführt werden, mit Anhörung der Beteiligten und Einbeziehung des Jugendamtes.
Wenn eine gemeinsame elterliche Sorge nicht möglich ist und es dem Kindeswohl am besten entspricht, kann das Familiengericht dem Vater mit dem neugefassten § 1671(2) BGB auch die alleinige elterliche Sorge übertragen.
Entscheidungen von erheblicher Bedeutung
Üben die Eltern nach Trennung und Scheidung die elterliche Sorge gemeinsam aus, müssen sie über alle Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung gemeinsam entscheiden. Alle Angelegenheiten des täglichen Lebens entscheidet der Elternteil, bei dem sich das Kind gerade aufhält, allein.
Nach unserem Kenntnisstand orientieren sich die Richter an den Berliner Familiengerichten derzeit an der folgenden Tabelle:
Angelegenheiten des täglichen Lebens | Angelegenheit von erheblicher Bedeutung | |
Aufenthalt | Aufenthaltsbestimmung im Einzelnen(Wahl des Wohnsitzes, Teilnahme an Ferienlager, Besuch bei Großeltern etc.)Veränderungen des Wohnsitzes ohne wesentliche Erschwerung des Umgangs für den anderen Elternteil | Grundsatzentscheidung bei welchem Elternteil das Kind lebt, Internatsunterbringung, freiheitsentziehende Unterbringung, Begründung eines privaten Pflegeverhältnisses |
Auslandsreisen | Übliche Auslandsreisen bis zu einem Monat (allerdings kann auch Alter und Gesundheitszustand des Kindes bedeutsam sein) | Abenteuerreisen oder Reisen in entlegene Gebiete bzw. bei politischen Unruhen oder konkreter Gefahr einer KindesentführungAusstellung eines Kinderausweises |
Gesundheit | Behandlung leichterer Erkrankungen üblicher Art (z.B. Erkältungen) einschl. der Verabreichung von Antibiotika, Entfernung von Warzen, alltägliche Gesundheitsvorsorge wie regelmäßige Zahnarztbesuche, empfohlene Schutz- und Routineimpfungen | Einwilligung in Operationen bei nicht einwilligungsfähigen Kindern (außer in Not- und Eilfällen, insoweit besteht ein Entscheidungsrecht des Elternteils, bei dem sich das Kind gerade aufhält),med. Behandlungen mit erheblichem Risiko, grundlegende Entscheidungen der Gesundheitsvorsorge, längerfristige Behandlungen wie Kieferregulierungen oder psychotherapeutische Behandlung |
Krippe, Kindergarten, Tagesmutter | Dauer des täglichen Aufenthalts, Absprachen mit Betreuungsperson | Grundsatzentscheidung, ob das Kind von Tagesmutter / in Kita betreut wird |
Religiöse und weltanschauliche Erziehung | Teilnahme an Gottesdiensten, Einhaltung von institutionell vorgegebenen religiösen Geboten | Grundentscheidung der Bekenntniswahl, begrenzt durch Religionsmündigkeit des Kindes mit 14 Jahren und Stellung des Kindes mit 12 Jahren, Taufe, Kirchenaustritt, An-und Abmeldung vom Religionsunterricht, Beschneidung nach jüdischem oder muslimischem Ritus |
Schule/ Ausbildung | Entschuldigung im Krankheitsfall, Unterschreiben von Zeugnissen, Besuch von Elternabenden, Teilnahme des Kindes an Sonderveranstaltungen wie Tagesausflügen, Notwendigkeit von Nachhilfe, unbedeutendere Wahlmöglichkeiten im Rahmen des gewählten Ausbildungsgangs( z.B. Wahlfächer, Schulchor usw.) | Wahl der Schulart und Schule, Entscheidung über einen Schulwechsel, Wahl der Ausbildungsstätte, der Fächer (z.B. erste Fremdsprache) und Fachrichtung, Besprechungen mit Lehrpersonal über gefährdete Versetzung, Entscheidung über Internatserziehung; mehrwöchige Schulfahrten ins Ausland; Wahl der Lehre und Lehrstätte |
Status- und Namenfragen | insbes. Familien-und Vornamensgebung. Vgl. auch Spezialnormen wie §1617 Abs.2 BGB | |
Umgang | Einzelentscheidungen im täglichen Vollzug (z.B. Kontakte des Kindes zu den Nachbarn ,Fernhalten eines unerwünschten Freundes, Abholen des Kindes von Kindergarten oder Schule | Grundentscheidung des Umgangs§ 1632 Abs.2 BGB ( betreffend das Ob und die Dimension des Umgangs)Vgl. auch §§ 1684, 1685 BGB |
Geltendmachung von Unterhalt | Allgemein ist die Geltendmachung von Unterhalt Angelegenheit von erheblicher Bedeutung aber Privilegierung des Obhut-Elternteils durch die Spezialvorschrift § 1629 Abs.2 S.2 BGB: Alleinvertretungsrecht für die Durchsetzung des Anspruchs gegen den anderen Elternteil | |
Vermögenssorge | Vergleichsweise unbedeutende Angelegenheiten ( etwa Verwaltung von Geldgeschenken), Taschengeldfragen | Grundlegende Fragen der Anlage oder Verwendung von Kindesvermögen, alle genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfte gemäß § 1643 BGB |
Wechselmodell
Beim „Wechselmodell“ wechseln sich die getrennt lebenden Eltern in der Betreuung, Versorgung und Erziehung periodisch – tageweise, wochenweise – ab. Das Kind hat keinen Lebensmittelpunkt sondern pendelt zwischen den Wohnungen von Mutter und Vater.
Ob Kinder einen festen Lebensmittelpunkt brauchen oder zwischen zwei Haushalten pendeln sollten, ist in der Fachliteratur höchst umstritten. Die Befürworter*innen loben es als gerechtes und kindeswohlförderliches Betreuungsmodell nach Trennung und Scheidung. Es gewährleiste am besten, dass den Kindern beide Eltern als wichtige Bezugspersonen erhalten bleiben. Kritiker*innen fürchten eine Überforderung und einen erhöhten Anpassungsdruck für die Kinder.
Bindungstheorie und Bindungsforschung belegen, dass die Qualität der frühkindlichen Beziehungserfahrungen die Grundlage für die psychische Sicherheit legt. Kinder brauchen die Lebensform, die sozial, zeitlich und örtlich eine möglichst große Stabilität gewährleistet. Je jünger das Kind ist, desto stressvoller erlebt es permanente Trennungen und Wechsel der Bezugspersonen.
Die Berliner Familiengerichte ordnen bisher – von Ausnahmen abgesehen – das Wechselmodell in der Regel nicht gegen den Willen eines Elternteils an. Sie berücksichtigen, dass das Wechselmodell voraussetzt, dass beide Eltern von seiner Richtigkeit überzeugt sind und dies dem Kind vermitteln, Bereitschaft und Fähigkeit zu Kooperation und häufigem Austausch besteht, die Wertschätzung des anderen Elternteils noch vorhanden ist und gewisse organisatorische Voraussetzungen passen müssen.
Beim Wechselmodell fällt die klare Trennung von Betreuung und Barunterhaltspflicht weg. Die Düsseldorfer Tabelle kann nur bedingt angewendet werden. Die Eltern müssen private Lösungen für die Sicherung des Unterhaltsbedarfes des Kindes finden.
Umgangsrecht
In der Regel gehört zum Wohl des Kindes der Umgang mit beiden Eltern. Das Kind hat ein eigenständiges Recht auf Umgang. Aus diesem Recht resultieren die Pflicht und das Recht der Eltern zum Umgang mit dem Kind.
Elternvereinbarungen
Es gibt keine allgemeingültige Umgangsregelung, die für jede Familie passt. Maßgeblich für die Häufigkeit und Dauer der Kontakte sollte das Alter und die bisherige Beziehung und Vertrautheit zwischen dem Kind und dem umgangsberechtigten Elternteil sein.
Besonders in konflikthaften Scheidungs-und Trennungssituationen ist es hilfreich, wenn eine Umgangsvereinbarung möglichst alle Aspekte regelt, die für die Ausgestaltung und Durchführung des Umgangs wichtig sind, damit sich Konflikte auf ein Minimum reduzieren lassen:
- den Umgang des Kindes an den Wochenenden und /oder an einzelnen Wochentagen
- den Ort der Umgangskontakte besonders für Säuglinge und Kleinkinder
- Umgangsregelungen zu besonderen Ereignissen und Festtagen
- Ferienregelungen
- besondere Aktivitäten und Hobbys des Kindes, die gewährleistet werden sollen
- gemeinsame Erziehungsziele
- Abholen und Bringen
- Vorgehen im Konfliktfall
- Anpassungsmodalitäten
Begleiteter Umgang und Umgangsausschluss
Ein begleiteter Umgang oder ein Umgangsausschluss kann vom Familiengericht in Ausnahmefällen angeordnet werden, wenn es für das Wohl des Kindes erforderlich ist.
Das kann der Fall sein, wenn der Schutz des Kindes während des Umgangs nicht gewährleistet werden kann, zum Beispiel bei einem gewaltbereiten Elternteil, bei Gefahr sexuellen Missbrauchs oder der Kindesentführung, sowie bei bestimmten psychischen Erkrankungen des Umgangsberechtigten.
In der Praxis wird begleiteter Umgang entsprechend der Konfliktsituation differenziert ausgestaltet:
Betreute Umgangsanbahnung, wenn längere Zeit kein Umgang zwischen Kind und Umgangsberechtigtem stattgefunden hat, das Kind Vorbehalte gegen den Umgang hat oder um erstmalig Umgang zwischen dem Kind und dem Umgangssuchenden anzubahnen.
Betreute Übergabe, wenn es bei der Übergabe des Kindes zu (massiven) Auseinandersetzungen zwischen den Eltern kommt und daraus psychische Belastungen für das Kind resultieren.
Betreuter oder begleiteter Umgang, wenn der Umgangssuchende nur eingeschränkt zu einem belastungsfreien Umgang mit dem Kind fähig ist, das Kind gegen den betreuenden Elternteil beeinflusst und bei psychischer Erkrankung und Suchterkrankung.
Kontrollierter Umgang, bei gegebener oder vermuteter Kindeswohlgefährdung, bei Verdacht des sexuellen Missbrauchs durch den Umgangsberechtigten, bei Gefahr der Kindesentführung sowie bei „Häuslicher Gewalt“.
Ein begleiteter Umgang oder ein Umgangsausschluss sind in der Regel zeitlich befristet. Flankierende Elterngespräche haben das Ziel, einen unbegleiteten Umgang zu ermöglichen.